Hochaltar Mariazell

Jahr
1997–2000
Ort
Basilika Mariazell
Auftraggeber
Benediktinersuperiorat Mariazell
Auftrag
Koordination der Restaurierungs- und Rückführungsmaßnahmen
Team
Dr. Wiltraud Resch, Dr. Heidelinde Fell
Als Abschluss der barocken Erweiterung der Basilika beauftragte Abt Franz v. Kaltenhausen den berühmten Baukünstler J. B. Fischer von Erlach mit dem Entwurf des imposanten Hochaltares, einem Initialwerk hochbarocker Inszenierungskunst. Geweiht wurde dieser äußerst kostbare Altar im Jahr 1704. Es handelt sich um eine beeindruckende künstlerische Darstellung der göttlichen Dreifaltigkeit, die bereits unmittelbar nach der Entstehung große Bewunderung hervorrief. Über der aus einem einzigen Block geschaffenen Mensa schwebt der Tabernakel als silberne Weltkugel, umwunden von einer Schlange als Sinnbild der Sünde. Darüber erhebt sich eine aus Silber getriebene überlebensgroße Gnadenstuhlszene nach Modellen von Lorenzo Mattielli. Maria und Johannes sowie die beiden adorierenden Engel entstammen nicht mehr der Entstehungszeit des Altares, da diese 1806 einer Silberablieferung zur Finanzierung der Franzosenkriege zum Opfer fielen. Im Jahr darauf wurden sie durch versilberte Holzstatuen ersetzt. Die gesamte Szene wird von einem monumentalen Triumphbogen eingefasst. Darüber erhebt sich die himmlische Glorie mit der Heilig-Geist-Taube im Zentrum.

Spätere Veränderungen
Schon kurz nach der Vollendung des Hochaltares kam es zu gravierenden Veränderungen. So wurde der in Augsburg aus Silber gefertigte, als Tabernakel dienende Globus, durch einen herkömmlichen Tabernakel ersetzt. Das damit einhergehende Anheben der Weltkugel war ein schwerer Eingriff in das formale und inhaltliche Konzept des Altares.

1806 wurden zur Finanzierung der Franzosenkriege viele wertvolle Silberfiguren eingeschmolzen, unter ihnen Maria, Johannes und die beiden Engel; nur Gottvater, Christus sowie die Weltkugel blieben erhalten. 1807 wurden  die fehlenden Bestandteile durch versilberte, klassizistische Holzstatuen ersetzt. Was die Lichtführung betrifft so war das große Rundbogenfenster hinter dem Altar ursprünglich mit einem „Transparent" mit der Darstellung eines atmosphärischer Wolkenhimmel bedeckt. Nachdem 1905 ein Sturm neuerlich das Transparent zerstörte, wurde ein buntfarbiges Glasgemälde eingesetzt. Zu Veränderungen betreffend der Position der Wolken, Strahlen und Engel kam es auch an der vom Wiener Bildhauer Johann Stanetti gefertigten bewegten Himmelsglorie.

Maßnahmen der Rückführung
Ziel der Restaurierung des Mariazeller Hochaltares war eine behutsame Wiederherstellung dieses einzigartigen barocken Gesamtkunstwerkes. Die komplexen Rückführungsmaßnahmen am Hochaltar erfolgten in enger Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt unter Friedrich Bouvier und Manfred Koller. Sie wurden restauratorisch betreut durch Erika Thümmel und kunsthistorische begleitet durch Wiltraud Resch.

Dem Konzept entsprechend wurde der Globus wieder in seiner ursprünglichen, durch vorhandene Montagevorrichtungen rekonstruierbaren Position montiert und die Verlängerung des Kreuzes nach unten entfernt. Dadurch wurde die Illusion von einer frei schwebenden Erdkugel und dem Kreuz wieder hergestellt.
Um die Weltkugel wieder als Tabernakel nutzen zu können, musste die Bedienbarkeit der Türe wieder hergestellt und das Innere wieder mit rotem Seidenstoff tapeziert werden.
Das Glasfenster von 1905 wurde demontiert und restauriert. Da präzise Grundlagen zur Rekonstruktion des Transparentes fehlten, wurde eine zeitgemäß neutrale Textilbespannung angebracht, die das barocke Fenstergitter abdeckt und zu starkes Gegenlicht verhindert. Zur Wiederherstellung der von Fischer meisterhaft konzipierten Lichtführung musste darüber hinaus das Fernspielwerk der Orgel abgetragen und die Holzverblankungen entfernt werden. Das Oberfenster wurde wieder gelb verglast und die ovale Öffnung dem Befund entsprechend vergoldet.

Die wenig qualitätvollen versilberten Adorationsengel von 1807, wurden durch die ursprünglichen Silberengeln ähnliche, im Geistlichen Haus gefundene Engel von 1730/40 ersetzt. Die weiß gefassten Holzskulpturen wurden nach Ausführung der notwendigen konservatorischen Maßnahmen neu versilbert. Um alle älteren Fassungen als historische Dokumente zu erhalten, wurde diese Maßnahme so ausgeführt, dass eine beschädigungsfreie Rückführung möglich ist. Vergoldermeisterin Ursula Thomann ersann Wege, einer die Feinheit der Modellierung der Engel nicht verunklärende und doch die originale Fassung in keiner Weise schädigende Wege, einer Versilberung über einer bestehenden Fassung.

Ein aus schriftlichen Quellen bekanntes heiliges Grab hinter dem Hochaltar konnte in einer Abstellkammer entdeckt, durch Erika Thümmel und ihr Team auf seine ursprüngliche Fassung freigelegt und wieder in der Nische hinter dem Hochaltar aufgestellt werden.

Auf der Grundlage alter Aufnahmen rekonstruiert wurde auch die dynamisch bewegte Himmelsglorie. Mit Hilfe historischer Steinplatten rekonstruiert wurde der schwarz-weiße Marmorboden im Bereich der Treppenanlage des Hochaltares.

Die stark verrußten und durch Feuchteschäden beeinträchtigen Stuckverzierungen, wie auch die Fresken im Presbyterium wurden durch Hubert Schwarz und seinem Team gereinigt, instabile Bereiche gefestigt und hinterfüllt sowie Fehlstellen gekittet und in „tratteggio" Methode retuschiert.

Der Altaraufbau aus Marmor wurde durch Gerhard Zottmann und seinem Team von dicken Schichten von mit Wachs verpackenem Schmutz befreit, mechanische Beschädigungen und Risse geschlossen und Fehlstellen retuschiert.

Die von Johann Känischbauer 1719 bzw. 1721 aus getriebenem Silberblech gefertigte Figur von Gottvater und Christus sind Votivgaben von Kaiser Karl VI. Das Zerlegen und die Restaurierung sämtlicher aus Silber gefertigten Bestandteile durch die Metallrestauratorinnen Verena Krehon und Elisabeth Krebs bot Gelegenheit zur Erforschung des technischen Aufbaues und der Fertigung. Im Gegensatz zum traditionellen Aufbau über einer Holz bzw. Eisenkonstruktion wurden diese Figuren ohne Unterkonstruktion aus einzelnen aneinander gefügten Silberblechen ausgeführt – Kopf, Hände und Füße, sowie der Lendenschutz der Christusfigur in massiver Gusstechnik.

Die Silberoberflächen der Skulpturen, Kapitelle, Zierleisten und das Fries waren stark verschmutzt und verstaubt. Ablagerungen und Rinnspuren von Reinigungsmitteln aus vorangegangenen Restaurierphasen hatten sich in die Metalloberflächen eingefressen. Zahlreiche Kratzer und Schleifspuren von früheren Reinigungsmaßnahmen beeinträchtigten die originale Handpolitur. Ein ehemals aufgebrachter Schutzlack war vergilbt und abgebaut, sodass das Silber darunter unregelmäßige Sulfidflecken ausbilden konnte, was zu einem formverwirrenden Erscheinungsbild geführt hat. Darüber hinaus wiesen beide Figuren zahlreiche Deformationen auf.

Das Ausloten der Möglichkeiten zur Gestaltung dieses zentralen Zelebrationsbereiches erfolgte mit Hilfe eines Architektenwettbewerbes. Nach langen und kontroversiell geführter Diskussionen betreffend der verschiedenen Lösungsansätze kamen die Verantwortlichen zu der Überzeugung, dass nur ein Verrücken der gotischen Mariensäule in den Vierungsraum eine funktional und ästhetisch zufriedenstellende Lösung möglich macht. Beauftragt mit der Gestaltung wurden das Grazer Architekturbüro Wolfgang Feyferlik und Susanne Fritzer. Das schlussendlich umgesetzte, in seiner Schlichtheit überzeugende Konzept verzichtet bewusst auf stilistische Anpassung an barocke Formensprache, geht aber äußerst sensibel auf die proportionalen Vorgaben des Raumes ein, ohne ihm Konkurrenz zu machen. Alles Neue ist in Form und Materialität klar ablesbar. Das Altarpodest, in einfacher Rechteckform aus Natursteinplatten, ist leicht abgehoben über dem farbigen Klinkerboden der Basilika und reicht in den Kuppelraum um dem neuen Altar Raum zu geben. Dieser, vom deutschen Bildhauer Ulrich Rückriem gestaltete Altar ist ein im Stück gezogener Steinblock aus Anröchter Dolomit, der nur geringfügig bearbeitet wurde. Er bleibt frei von ablenkenden „Zutaten" – die Kerzen brennen weiterhin auf dem Hochaltar. Der neue drei Tonnen schwere Ambo ist aus 1 cm starken Stahlplatten aufgebaut, die vom Basilikaboden aus übereinandergeschichtet sind. Feierlich konsekriert wurde der neue Hauptaltar von Mariazell am 8. September 2000 durch Diözesanbischof Johann Weber.

Dipl. Restauratorin



Atelier für:

Restaurierung von Gemälden, Tafelbildern,
gefassten Holzskulpturen, Zierrahmen und Vergoldungen

Konservatorische Gutachten und Befundungen, Objektmontage und Ausstellungsaufbau

Ausstellungsgestaltung, Museumsgestaltung, künstlerische Installationen
RESTAURIERUNGEN KUNSTPROJEKTE AUSSTELLUNGSGESTALTUNG RESTAURIERUNGEN